Wechselhafte Zeiten für die Brüder Fritz und Rudolph

Fritz und Rudolph führen das Unternehmen durch wechselhafte Zeiten – wirtschaftlicher Aufschwung, Krieg und Inflation machen ihnen das Leben schwer!

Mittlerweile hat Lippstadt sich von einer Ackerbürgerstadt zu einer industriell geprägten Stadt entwickelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts leben hier 12.500 Menschen.

Lippstadt verfügt schon über eine erste Kanalisation, ein Wasserwerk und einen öffentlichen Schlachthof. Das Stadtbild hatte sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Viele der alten Fachwerkhäuser waren abgebrochen und durch Steinbauten ersetzt worden, deren Fassaden mit Stuckverzierungen im Gründer- und Jugendstil geschmückt waren. Die Lange Straße wurde zur Hauptgeschäftsstraße, das holprige Kieselsteinpflaster war verschwunden und die Fahrwege mit Kasseler Basalt oder Ruhrkohlensandstein gepflastert worden. Dennoch gab es um die Jahrhundertwende noch immer 61 landwirtschaftliche Betriebe in der Innenstadt. Auch die selbstständigen Handwerker wohnten und arbeiteten vorwiegend im alten Stadtkern. Elektrisches Licht gab es am Anfang des Jahrhunderts nur in fünf oder sechs Betrieben, die aber den Strom selbst erzeugten, da Lippstadt erst kurz vor dem 1. Weltkrieg an das von Bochum ausgehende Überlandnetz aufgeschaltet wurde. Die meisten Wohnungen waren zu dieser Zeit auch schon an das Rohrnetz der Gasleitung angeschlossen; die Straßen der Stadt wurden von 98 Abend- und 122 Nachtlaternen erhellt.

Als Peter Brülle gestorben war, mussten einige organisatorische Änderungen stattfinden. Mittlerweile hatte sich in Deutschland durchgesetzt, dass Firmen von einer gewissen Größe ins Handelsregister des zuständigen Amtsgerichts eingetragen wurden. Damit entstanden auch Verpflichtungen hinsichtlich der Bonität des Unternehmens und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung. Noch im Todesjahr von Peter Brülle, am 17. April 1886, wurde diese Eintragung aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Erbschaftsregelung vorgenommen.

Fritz übernahm fortan den Einkauf und Innendienst, sein Bruder Rudolph den Außendienst, zu dem auch der gesamte Reiseverkehr gehörte. Der Aufschwung um die Jahrhundertwende setzte der gemächlich „guten alten Zeit“ ein Ende: Die Verkehrsverbindungen wurden immer besser, was die Geschäftsreisen der damaligen Handelsreisenden erheblich erleichterte. Ein Reisender allein schaffte es nicht mehr, das erweiterte Absatzgebiet zu bedienen. Eine ganze Schar von Vertretern wurde erforderlich, die Rudolph nun vom Büro aus delegierte. Auch der Einsatzbereich von Fritz änderte sich mit der Zeit: er leitete nun nicht mehr ausschließlich den Einkauf, sondern musste sich dem Geldverkehr mit den Banken und dem Rechnungswesen zuwenden. Auch machten moderne kapitalistische Methoden den Warenverkehr komplizierter.

Die Brüder ergänzten sich gut: Zwischen ihnen gab es keine persönlichen Zwistigkeiten; im Unternehmen hatte jeder seinen Aufgabenbereich. Auch in anderer Hinsicht hatten beide ähnliche Interessen: beide waren, wie ihr Vater, an kommunalpolitischer Arbeit interessiert und in den Gremien der Stadt als Stadtverordnete aktiv. Fritz war Mitglied der DVP (Deutsche Volkspartei). 2 Jahrzehnte lang war er außerdem Major des Lippstädter Schützenvereins. Er richtete 1902 das 75jährige Jubiläum aus und wurde im gleichen Jahr auch Schützenkönig. Rudolph war als Vertrauensmann für die Bielefelder Handelskammer tätig.

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